Bibelstudie

Für eine Zeit wie diese ...

Der bekannteste Vers im Buch Esther ist wahrscheinlich Esther 4,14, als Esthers Vormund Mordechai zu ihr sagt:„Und wer erkennt, ob du nicht gerade für einen Zeitpunkt wie diesen zur Königswürde gelangt bist?“Wenn man die Umstände genauer betrachtet, in denen dieser Text steht, wird man feststellen, dass Mordechai‘s Botschaft an Esther wohl keine Motivationsrede war, durch die sie sich geehrt fühlen sollte, sondern eher ein ernüchterndes und alarmierendes Ultimatum!

Esther war eine junge jüdische Frau, die in eine schwierige Familiensituation hinein geboren wurde und in einer repressiven Gesellschaft zu einer Minderheit gehörte. Von Anfang an waren die Umstände gegen sie. Doch fast von einem Tag auf den anderen wandelte sich Esthers Leben dramatisch; sie kam aus der Armut zum Reichtum, aus der Hütte in den Palast. Esther wurde nämlich die Frau von König Xerxes I., und damit eine der mächtigsten Frauen der Weltgeschichte. Das Buch Esther scheint dabei voller Ironie zu sein, denn nachdem Persien gerade unwissentlich eine Jüdin zur Königin gekrönt hatte, schmiedete der Wesir des Königs, ein Mann namens Haman, einen teuflischen Komplott, um die jüdische Bevölkerung durch ein schreckliches Blutbad auszurotten. 
In diesem Dilemma schien Esther in ihrer neuen Position als Einzige in der Lage zu sein, ihrem Volk zu Hilfe kommen zu können.

Man könnte meinen, dass die Annehmlichkeiten des Palastlebens Esther schon teilweise in ihren Bann gezogen hatten, denn im 4. Kapitel sieht man, dass sie Mühe hat, sich zu entscheiden, was sie nun tun soll. Esther blickte sich im Palast um und sah den Luxus, die Freuden, den Komfort und den Reichtum, der ihr lieb geworden war. Es muss ihr schwer gefallen sein, sich vorzustellen, all das für einen törichten Versuch, die Heldin zu spielen, zu verlieren. Sie war sich sehr bewusst darüber, dass sie sogar ihr Leben riskierte wenn sie diese Angelegenheit vor den König brachte. Vielleicht wäre es besser, etwas dezenter vorzugehen und doch erst einmal im Hintergrund zu bleiben und abzuwarten, wie alles ausgehen würde? Vielleicht hätte sie dann irgendwann einmal die Gelegenheit, ein gutes Wort für die Juden einzulegen, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Schließlich würde es ja keinem etwas nützen, wenn sie sterben würde, oder?

Ein strategischer Plan

In Esther 4,13-14 fühlt Mordechai den inneren Kampf Esthers und lässt ihr folgende Botschaft zukommen: „Bilde dir nicht ein, du könntest dich mit deinem Leben im Haus des Königs allein von allen Juden in Sicherheit bringen! Denn wenn du zu diesem Zeitpunkt wirklich schweigst, so wird Befreiung und Rettung für die Juden von einem andern Ort her erstehen. Du aber und das Haus deines Vaters, ihr werdet umkommen. Und wer erkennt, ob du nicht gerade für einen Zeitpunkt wie diesen zur Königswürde gelangt bist?“

Mit anderen Worten, Mordechai sagte ihr: „Esther, bilde dir nichts ein! Du bist nicht im Palast, weil du so hübsch, so wunderbar oder so außergewöhnlich bist. Du bist vielmehr der strategische Teil eines göttlichen Plans, der weit über deine persönliche Situation oder deine persönlichen Interessen hinausgeht. Wenn du also aufstehst und für dein Volk eintrittst, dann ist das kein großzügiger Akt der Nächstenliebe oder der Liebenswürdigkeit. Es ist der eigentliche Grund, für den Gott dich in den Palast berufen hat!“ Dann betont Mordechai noch, dass die Situation wirklich ernst ist und fügt im Grunde hinzu: „Wenn du versuchen solltest, deine Position zu schützen, wird Gott dich durch jemand anders ersetzen und du selbst wirst umkommen!“

Vielleicht fragst du dich, warum ich an dieser Stelle meine, über Esthers Herz und Gedanken spekulieren zu können. Es ist nicht wegen des historischen Kontextes oder der Botschaft, die Mordechai ihr sandte, sondern auch, weil ich dasselbe Szenario oft bei uns hier in der westlichen Gesellschaft beobachte. Durch unseren Komfort und unsere Bequemlichkeiten sind wir angesichts einer sterbenden Welt bisweilen gleichgültig und selbstgefällig geworden. Oft haben wir sogar Angst, irgendetwas herzugeben oder zu riskieren, was unser gemütliches Leben aus der gewohnten Routine bringen könnte.

Unsere eigentliche Berufung

Ich habe zum Beispiel schon oft beobachtet, wie Leute Hunderte Euros in Restaurants oder für Vergnügungen ausgeben, aber wenn die Kollekte eingesammelt wird, fangen sie an zu stöhnen und sich zu beschweren: „In dieser Gemeinde wird immer nur um Geld gebeten.“ Und wenn sie dem Herrn dann doch ein paar Euro geben, denken sie, sie wären sehr großzügig. Ist es aber nicht eher so, dass das Geld auf unseren Bankkonten nicht uns gehört? Es gehört in erster Linie Gott. Er hat uns nicht nur gesegnet, damit wir unsere finanziellen Mittel für unsere eigenen Vergnügungen und Wünsche ausgeben. Er hat uns auch gesegnet, damit wir ein Segen für andere sein können.

Wenn Gott uns irgendetwas anvertraut, seien es Finanzen, Talente oder Aufgaben, dann müssen wir wissen, dass wir dabei nicht die Endstation seiner Gedanken und Pläne sind. Wir sind eher wie ein Kanal oder ein Katalysator durch den diese Ressourcen fließen sollen. Wenn Wasser durch ein Rohr fließt, wird das Rohr natürlich auch nass! Wenn Gottes Segnungen durch uns fließen, dann werden wir persönlich auch gesegnet, doch wir sollten nicht den Fehler machen zu denken, dass wir gesegnet werden, weil wir so besonders, so wunderbar, so intelligent oder so talentiert sind. Gott segnet uns nicht, weil er uns mehr liebt als alle anderen. Er segnet uns, weil er einen Plan hat, und ob wir diesen Plan ausführen oder nicht, ist keine Nebensache: Es ist der Grund, warum wir überhaupt diesen Segen erfahren. Wenn wir nicht bereit sind, das zu tun, wozu Gott uns berufen hat, dann wird er jemand anders finden, der es mit Freuden tun wird.

Wenn du es nicht tust, wird es jemand anders tun

Esau war der Erstgeborene seiner Familie. Er hätte der Erbe seines Vaters sein sollen, der den Familiennamen weiterführt und durch den Gott seine Verheißung an Abraham erfüllt. Doch Esau „verachtete das Erstgeburtsrecht“ (1. Mose 25,34). Gott überging Esau wegen dieser Geringschätzung und fand in seinem jüngeren Bruder Jakob eine größere Bereitschaft. Jakob erbte die Bestimmung, die eigentlich von Geburt her Esau gehört hätte, und wurde einer der größten Patriarchen Israels.

Eli war der Hohepriester, und seine Familie war von Gott berufen und gesalbt worden, um Israel im Priesteramt zu dienen. Doch die beiden Söhne Elis hatten vor dem Herrn und seiner Berufung keinen Respekt (1. Samuel 2,12). Sie entweihten die Stiftshütte, stahlen aus den Opfergaben und verachteten Gott. Sie dachten, sie hätten ein gewisses Anrecht und wären unentbehrlich, nur weil sie in eine mächtige und privilegierte Familie hineingeboren worden waren. Doch Gott entriss ihnen, und der gesamten Familie, die priesterliche Berufung und gab sie einem jungen Mann namens Samuel, der das Volk an ihrer Stelle leiten sollte.

Gott hatte Saul berufen, der erste König Israels zu sein. Seine Kinder und Enkelkinder waren dazu bestimmt, den Thron zu besteigen, aber Gott setzte stattdessen seine Familie ab und salbte einen jungen Mann namens David, aus dessen Geschlecht schließlich der Messias geboren wurde (1. Samuel 16,1-13).

Kathryn Kuhlman hatte zweifellos einen der einflussreichsten Dienste des letzten Jahrhunderts. Sie war eine Evangelistin, die ganz außergewöhnliche Heilungen erlebte und viele Menschen inspirierte, ihrem Beispiel zu folgen. Doch Kathryn sagte von sich selbst, dass sie nicht Gottes erste Wahl gewesen war. Sie glaubte, dass Jesus vor ihr schon andere berufen hatte, die allerdings nicht bereit gewesen waren, diesen Dienst anzutreten. Sie sagte einmal: „Ich glaube, Gottes erste Wahl für diesen Dienst war ein Mann, und auch seine zweite Wahl. Doch kein Mann war bereit, den Preis zu bezahlen. Ich war einfach naiv genug, um zu sagen: Nimm mein Nichts und gebrauche es. Und das hat er seitdem getan.“ Kathryn Kuhlman glaubte, dass sie ihre Berufung nicht erhalten hatte, weil sie die Beste war, sondern weil sie die Herausforderung angenommen hat.

Herr, lass mich nicht fallen!

Reinhard Bonnke hat schon vor Millionen Menschen gepredigt. Seit 1987 hat unser Dienst „Christus für alle Nationen“ bisher auf der ganzen Welt über 75 Millionen Entscheidungskarten registriert. Es ist wirklich eine der bemerkenswertesten Erfolgs-Storys aller Zeiten und sie ist noch lange nicht zu Ende. Doch es war nicht immer nur ein Zuckerschlecken. In seiner Autobiografie Im Feuer Gottes erzählt Evangelist Bonnke viele Geschichten über die Schwierigkeiten, denen er ausgesetzt war, besonders in den Anfangsjahren. Seine Anfänge in Afrika waren sehr bescheiden. Er predigte oft zu einer kleinen Handvoll von Leuten, die nicht interessiert waren und nicht auf die Botschaft des Evangeliums reagierten.

Doch der Wind schlug um, als er vier Nächte nacheinander einen prophetischen Traum hatte, in dem er die Stimme des Heiligen Geistes ausrufen hörte: „Afrika soll errettet werden!“ Er ergriff diese Verheißung mit aller Kraft und begann im Glauben zu handeln. Doch nicht alle um ihn herum begrüßten seine Ambitionen und seinen Enthusiasmus. Aus Neid und Eifersucht begannen andere Missionare, sich bei den Leitern ihrer Denomination darüber zu beschweren, dass Reinhard Bonnke in seinem Dienst mehr Freiraum hätte als sie, und das wiederum veranlasste das Missionskomitee, ihm schriftlich mitzuteilen, seinen Dienst nicht weiter auszubauen.

„Meine Seele war wie geschlagen“, schrieb er, „es war, als sei ich von meiner eigenen Familie enterbt worden. Ich musste ... in meiner Verzweiflung einen einsamen Ort aufsuchen, mit Gott reden und noch viel mehr musste Er zu mir reden.“ Reinhard Bonnke beschloss, ein „Sabbatical“, eine Auszeit, einzulegen, um zu fasten und zu beten. „Ich will mit meinen Brüdern im Frieden leben“, betete er inständig. „Ich will mich unterordnen, will nicht mehr von der brennenden Vision getrieben werden, die du mir gegeben hast.“ Doch da sprach der Herr zu ihm mit Worten, die ihn zutiefst schockierten. „Ja, das kannst du tun“, antwortete der Herr. „Aber wenn du meine Berufung fallen lässt, muss ich dich fallen lassen und nach jemand anderem schauen.“ Dieses Ultimatum war das Einzige, was er hören musste. Er ging sofort nach Hause und schrieb eine Rücktrittserklärung an das Missionskomitee. „Alle anderen können mich fallen lassen“, betete er, „doch du, Herr, lass mich bitte nicht fallen.“

Gottes Pläne erfüllen sich – mit dir oder ohne dich 

Hätte Evangelist Bonnke diesen Auftrag fallen gelassen, hätte Gott jemand anderen gefunden, um Afrika mit dem Evangelium zu erreichen. Wir denken oft irrtümlicherweise, dass wir unersetzlich sind, doch in Wirklichkeit ist es so, dass selbst dann, wenn wir der Berufung Gottes nicht folgen, Gottes Pläne dadurch nicht scheitern werden. Gottes Plan wird sich trotzdem erfüllen, auch wenn er jemand anderen berufen muss, um ihn auszuführen.

Seine Pläne sind wie ein Güterzug, den man nicht aufhalten kann, und wer nicht aufspringt wird wohl eines Tages zurückschauen und sich wünschen er könnte die Zeit zurückdrehen.

Liebe Freunde, wir alle sind zu einem bestimmten Zweck in diese Welt hineingeboren worden: Die gute Nachricht von Jesus mit auf den Weg zu bringen ist keine Nebensache. Es ist einer der wichtigsten Gründe, warum du überhaupt geboren wurdest. 
Du bist zur Königswürde gelangt für einen Zeitpunkt wie diesen!

Daniel Kolenda